Julia C. Arlinghaus

Beitragsbild: Fraunhofer/Jürgen Löse

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Prof. Dr. oec. Julia Arlinghaus leitet seit 2019 das Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg und ist ebenfalls seit 2019 Lehrstuhlinhaberin für ‚Produktionssysteme und -automatisierung‘ am IAF der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Sie hat in Bremen und Tokio Wirtschaftsingenieurwesen mit den Schwerpunkten Produktionstechnologie und Verfahrenstechnik studiert und dann zur Integration intermodaler Transporte in Handelslieferketten an der Universität St. Gallen in der Schweiz promoviert. Danach folgten Stationen bei Porsche Consulting sowie an der Jacobs University Bremen und an der RWTH Aachen.

Frau Arlinghaus, warum haben Sie Wirtschaftsingenieurwesen studiert?
Ein möglichst großes Berufsspektrum war für mich das wichtigste Kriterium bei der Studienauswahl. Nach dem Abitur konnte ich mir leichter etwas unter BWL vorstellen, aber irgendwie hat mich Technik fasziniert. Ich dachte mir, wenn es nicht das Richtige ist, kannst Du Dich in die eine oder andere Richtung umorientieren. Noch vor dem Ende des Grundstudiums war ich mir aber sicher: Die wirklich interessanten Dinge sind genau an der Schnittstelle der Disziplinen, zum Beispiel Logistik, Produktionssteuerung, Fabrikplanung, Risikomanagement und Digitalisierung. Bis heute bin prägt mich das Studium und ich bin thematisch weit aufgestellt. So hatte ich schon einmal eine Professur in der BWL und jetzt eine Professur im Maschinenbaubereich.

Welche Skills, die Sie im Studium erlernt haben, waren für Ihren Werdegang besonders wichtig?
Im Studium habe ich gelernt, wie wichtig es ist, die Sprache deines Gegenübers zu sprechen. Experten aus dem Controlling benutzen ein anderes Vokabular als die Experten aus der Arbeitsvorbereitung, aus der Produktion oder aus dem Marketing. Das Top-Management braucht eine andere Aufbereitung von Informationen als Mitarbeitende aus den operativen Bereichen. Genauso verhält es sich auch an der Universität: Einige Bereiche sind stark anwendungs- und andere stark grundlagenorientiert. In ihrer Unterschiedlichkeit von Persönlichkeiten, Lehrstil und Aufgabenstellung wurde ich darauf vorbereitet, dass zielgruppengerechte Kommunikation das A und O ist. Ganz praktisch habe ich aber beispielsweise im Studium gelernt zu programmieren und mit Hilfe von Simulationen Produktionssysteme zu planen und besser zu verstehen. Das Wissen nutze ich heute noch täglich.

Sind aus Ihrer Sicht Absolventen und Professionals, die interdisziplinär denken und handeln können, momentan besonders gefragt?
Auf jeden Fall. Denn Tunnelblick und Standardlösungen bringen heute nicht mehr die gewünschten Resultate. Unser Arbeitsumfeld – und bei mir speziell die digitalisierte Fabrik – ist so komplex, dass wir mit einer isolierten Sicht nur unterkomplexe Lösungen finden. Es braucht daher interdisziplinäre Teams, die Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Erst wenn wir die Sprache der anderen Teammitglieder verstehen, können wir gemeinsam nach neuartigen Lösungen suchen.

Stichwort interdisziplinäre Herangehensweise: Welches Thema beschäftigt Sie gerade besonders und warum?
Zusammen mit meinem Team frage ich mich, wie die Fabrik der Zukunft aussehen wird. Wie können wir die Menschen unterstützen, immer neue und immer schwierigere Aufgaben zu übernehmen? Wie können wir neue Technologien – etwa digitale Zwillinge, KI und Robotik – nutzen, um die industrielle Produktion effizienter, sicherer und vor allem nachhaltiger zu machen? Besonders interessiert mich derzeit, wie wir Mensch und Roboter noch besser zusammenarbeiten lassen können. Zum Beispiel forschen wir an aufwandsarmen Methoden zur Roboterprogrammierung und an taktilen, also berührungsempfindlichen Sensoren. Faszinierend ist für mich auch die Frage, wie zukünftig unsere Produktionssysteme und unsere Energiesysteme aufeinander abgestimmt werden können. Mit dem steigenden Anteil erneuerbarer Energien braucht es neue Energiespeicher und intelligente Steuerungssysteme, um Nachfrage und Angebot in Einklang zu bringen.

Von welcher technischen und/oder gesellschaftlichen Entwicklung erwarten Sie in den kommenden fünf bis zehn Jahren ein die Zukunft besonders prägendes Potenzial?
Der Klimawandel fordert, dass wir unsere Anstrengungen intensivieren müssen, die industrielle Produktion klimaneutral zu machen. Die Forschung unter anderem auf den Gebieten der künstlichen Intelligenz, der Wasserstoffproduktion und -nutzung sowie der Robotersysteme werden uns helfen, die Produktionssysteme in Richtung Klimaneutralität zu transformieren.

 

In den Sommerinterviews befragt der VWI in loser Folge Wirtschaftsingenieure und Wirtschaftsingenieurinnen, die wichtige Positionen in Industrie und Lehre innehaben, zu ihrem Blick auf das Berufsbild.

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