Aktuellen Umfragen zufolge gewinnt die Verbreitung der Blockchain-Technologie in der Wirtschaft an Fahrt. 47 Prozent der für eine Studie befragten Unternehmen, die Blockchain kennen, prüfen den Einsatz im eigenen Haus; 21 Prozent arbeiten an Prototypen. Das hat die Yougov-Studie „Potenzialanalyse Blockchain“ im Auftrag von Sopra Steria Consulting ergeben. Ziel der meisten befragten Unternehmen ist es, den Umgang mit Geld, Dokumenten, Identitäten und Sachwerten künftig zu vereinfachen, zu beschleunigen und sicherer zu machen. Allerdings halten nur sieben Prozent der dafür befragten Fach- und Führungskräfte Blockchain aktuell für marktreif.
Blockchain-Reifegrad nimmt stetig zu
Auch der BDEW hat sich aktuell mit Blockchain befasst und in enger Zusammenarbeit mit Jens Strüker, dem Geschäftsführer des Instituts für Energiewirtschaft an der Hochschule Fresenius, die Studie „Blockchain in der Energiewirtschaft – Potenziale für Energieversorger“ erstellt. Demnach eröffnet die Blockchain-Technologie Energieversorgern vielfältige neue Chancen, hat aber noch mit Hindernissen zu kämpfen und ist von einem Marktdurchbruch weit entfernt. Trotzdem entstehen zurzeit laut BDEW-Studie zurzeit mit hoher Dynamik neue blockchainbasierte Geschäftsmodelle und Anwendungen. Der Reifegrad der Blockchain-Technologie hinsichtlich der Kriterien Geschwindigkeit, Energieverbrauch, IT-Sicherheit, Zuverlässigkeit, Governance, Interoperabilität und Wirtschaftlichkeit entwickele sich rasch weiter. Es fehle jedoch an der Klärung wichtiger regulatorischer Rahmenbedingungen.
Blockchain-Projekt im Allgäu
Trotzdem hat die Energiewirtschaft jetzt zwei Blockchain-Projekte gestartet. Das Allgäuer Überlandwerk (AÜW) aus Kempten und das New Yorker Start-Up LO3 Energy, das auch hinter dem Brooklyn Microgrid steht, entwickeln gerade in einem dreijährigen Pilotvorhaben eine Plattform für ein Stromhandels-Projekt im Allgäu. Beim Brooklyn Microgrid werden Nutzer digital zu einem virtuellen Stromnetz verbunden, in dem überschüssige Energie von regenerativen Erzeugungsanlagen direkt an andere Teilnehmer in der Nachbarschaft verkauft werden kann. Dabei bildet die Blockchain-Technologie die Grundlage für die Vertragsabschlüsse. Im Allgäu soll ebenfalls eine Handelsplattform entstehen, auf der Stromerzeuger und Stromverbraucher zusammengebracht werden und untereinander – ohne einen dazwischengeschalteten Energieversorger – Strom handeln können. In der Aufbauphase der Plattform sollen Pilotkunden einen von LO3 Energy speziell entwickelten Smart Meter erhalten, der Teil der Blockchain ist. Über eine darauf zugeschnittene App soll es den Teilnehmern dann möglich sein, auf der Plattform untereinander mit Hilfe einer digitalen Währung Strom zu handeln. Dabei sollen die Pilotkunden Präferenzen angeben können, wie sich ihr in lokalen Erzeugungsanlagen produzierter Strommix zusammensetzen soll.
Weiterer Praxistest in Landau
Auch im rheinland-pfälzischen Landau ist Blockchain im Praxistest für den Energiemarkt der Zukunft. Mit dem Landau Microgrid Project (LAMP) hat das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) in Zusammenarbeit mit LO3 Energy und der EnergieSüdwest AG einen Feldversuch gestartet, bei dem 20 Privathaushalte in Landau einen eigenen Strommarkt bilden und ihren Strom miteinander handeln. „Zum ersten Mal werden dann Endverbraucher in Deutschland darüber bestimmen, woher ihr Strom kommt“, sagt die Wirtschaftsingenieurin Esther Marie Mengelkamp, die den Versuchsaufbau als Projektleiterin am KIT gestaltet hat. „Bisher bestimmen Netzbetreiber darüber, welcher Strom fließt. So werden für einen grünen Stromtarif oft lediglich Wasserkraftwerke in Skandinavien zertifiziert, während der Strom vor Ort tatsächlich im nächsten Atom- oder Kohlekraftwerk produziert wird.“ In den Haushalten wird – ähnlich wie im Allgäu – zunächst ein Smart Meter eingebaut, danach wird mittels eines mobilen Endgeräts konfiguriert, woher Strom bezogen oder zu welchem Preis eigener Strom verkauft werden soll. Bis sich die eigenen Präferenzen ändern, funktioniert der Handel dann vollautomatisch.
Weltweit einzigartig an dem Projekt ist dem KIT zufolge, dass Projektpartner EnergieSüdwest AG für den Feldversuch eine geschlossene Netzinfrastruktur zur Verfügung stellt: Die Marktsimulation wird innerhalb des Stromnetzes des regionalen Energieversorgers im Landauer Wohngebiet Lazarettgarten durchgeführt. Anhand der durch die Studienteilnehmer generierten Daten werden die Wissenschaftler des KIT nach Abschluss von LAMP in großer Detailschärfe wissen, wieviel Strom im Landauer Mikronetz verbraucht und gehandelt wurde und wie sich der Strompreis dabei entwickelt hat. Anschließend soll das getestete Marktmodell analysiert, angepasst und weiterentwickelt werden.