Können Abfälle aus der Land- und Forstwirtschaft in Zukunft als Basis für umweltfreundliche Baumaterialien, Dämmschäume oder Treibstoffe dienen? Diese Frage steht seit 2016 im Zentrum des EU-Projekts REHAP – eine Abkürzung für „Systemic approach to Reduce Energy demand and CO2 emissions of processes that transform agroforestry waste into High Added value Products.“ 16 Partner aus 7 EU-Ländern haben dabei das ökonomische und ökologische Potenzial solcher Produkte analysiert.
„Wir haben unter anderem untersucht, wo in der EU derartige Reststoffe in welcher Menge anfallen und welche Konsequenzen ihre Nutzung hätte“, so Lars Wietschel. Der Wirtschaftsingenieur promoviert an der Universität Augsburg am Lehrstuhl für Production & Supply Chain Management von Prof. Dr. Axel Tuma. Wietschel weist darauf hin, dass der Ersatz herkömmlicher Materialien durch grüne Alternativen Konsequenzen in unterschiedlichen Wirkungs- und Schadenskategorien hat: „Wenn man versucht, in einer dieser Kategorien ein optimales Ergebnis zu erzielen, etwa möglichst wenig Treibhausgase auszustoßen, dann läuft man Gefahr, sich an anderen Stellen unerwünschte Nebenwirkungen einzukaufen.“
Ein Beispiel dafür sind Biotreibstoffe aus Energiepflanzen wie Raps. Ihr massenhafter Anbau hat zwar die Verbrennung klimaschädlicher Treibstoffe verringert. Gleichzeitig benötigte ihr Anbau aber Ackerland, das nicht mehr für die Agrarproduktion zur Verfügung stand. Als Folge stiegen die Agrar-Importe aus Ländern wie Brasilien, mit negativen Folgen für den Regenwald im Amazonasgebiet. Reststoffe wie Stroh oder Holzabfälle konkurrieren zwar nicht mit der Nahrungsmittelproduktion, jedoch auch ihre Nutzung für Biotreibstoffe bringt laut Wietschel Nachteile mit sich. Denn dass der Bauer nach der Maisernte die Stoppeln stehen lässt und später unterpflügt, trägt dazu bei, die Nährstoff- und Humusbilanz im Boden aufrechtzuerhalten. Würden alle Pflanzenreste für Biokraftstoffe verwendet, würde die Bodenqualität abnehmen und die Landwirte müssten mehr düngen.
Zu den Zielen von REHAP gehört daher die Suche nach sogenannten Sweet Spots, an denen möglichst große Vorteile in einem Bereich durch möglichst geringe Nachteile in einem anderen Bereich erkauft werden. Dazu nutzen die Forschenden Computerprogramme, mit denen sie die Wechselbeziehungen algorithmisch abbilden können. Auf diese Weise lässt sich sichtbar machen, wie sich die Optimierung eines Parameters – zum Beispiel des Kohlendioxid-Ausstoßes – auf andere Parameter wie beispielsweise die Landnutzung oder die Bodenqualität auswirkt. Einen objektiven Königsweg gibt es zwar meistens nicht. Mit Schadenskategorien zu arbeiten und ihre wechselseitige Beeinflussung sichtbar zu machen, erlaube aber informiertere Entscheidungen, sind die Wissenschaftler überzeugt.
In Punkto Preis sind nachhaltige Materialien gegenüber ihren konventionellen Pendants bislang oft noch konkurrenzfähig, so ein weiteres Ergebnis von REHAP. Durch Steuererleichterungen für die umweltfreundlicheren Alternativen oder eine CO2-Steuer ließe sich das aber ändern, so die Forschenden. Der technologische Fortschritt dürfte zudem dazu beitragen, dass die neuen Materialien künftig deutlich günstiger werden.