Bereits 2017 forschte das Institut für Integrierte Produktion Hannover (IPH) an Techniken, um Fabriklayouts künftig mit Hilfe von Drohnen optimieren zu können. Jetzt sind die Forschenden im Projekt „Autodrohne in der Produktion“ einen Schritt weiter gegangen und haben eine Drohne entwickelt, die in unbekannten Innenräumen autonom fliegen kann – also ohne von einem Drohnenpiloten ferngesteuert oder zuvor mit einer Umgebungskarte ausgestattet zu werden. Zur Navigation nutzt sie bordeigene Sensoren, die das nur unter freiem Himmel funktionierende GPS ersetzen.
Die Indoor-Navigation funktioniert nach dem Prinzip einer Computermaus, so das IFH. Mithilfe eines sogenannten Optical-Flow-Moduls und einer Kamera, die auf den Boden gerichtet ist, bestimmt die „Autodrohne“ ihre Position. Wenn sie sich bewegt, erkennt sie die relative Abweichung von ihrer Ausgangsposition. Für Flugstabilität sorgt darüber hinaus die Inertial-Measurement-Unit (IMU): Sie misst unter anderem die Beschleunigung und Orientierung während des Fluges. Die IMU und das Optical-Flow-Module ersetzen gemeinsam das GPS. Um den autonomen Flug in unbekannten Innenräumen zu ermöglichen, ist die Drohne zusätzlich mit einem LiDAR-Sensor zur automatisierten Kollisionsvermeidung ausgestattet – einem Laser-Scanner, der Hindernisse erkennt und somit verhindert, dass die Drohne gegen Wände, Regale oder Maschinen fliegt.
Beim Start kennt die Drohne nur ihre unmittelbare Umgebung. Während des Fluges erkundet sie Stück für Stück den Raum, und der Bordcomputer erstellt in einem 3D-Raster automatisiert eine Karte, die kontinuierlich erweitert wird. Damit die Erkundung des Raumes systematisch ablaufen kann, haben die Forschenden zwei Algorithmen implementiert: Den A*-Algorithmus zur Planung von Wegstrecken sowie einen selbst entwickelten Punktwolkenfilter. Dieser identifiziert Randbereiche der Karte und unterscheidet zwischen festen Grenzen und offenen Rändern. Der Punktwolkenfilter legt einen Punkt am offenen Rand als Zielposition fest, der A*-Algorithmus plant die Route von der aktuellen Position der Drohne zu dieser Zielposition. Ist die Zielposition erreicht, legt der Punktwolkenfilter ein neues Ziel fest – so lange, bis sich im Randbereich der Karte nur noch feste Grenzen wie beispielsweise Wände, Regale oder Maschinen befinden. Dann ist der gesamte Raum erkundet.
Im Forschungsumfeld funktioniert der Indoor-Drohnenflug, marktreif ist das System allerdings noch nicht – weil die Forschenden auf unerwartete Sicherheitsprobleme gestoßen sind, die weiter untersucht werden müssen.
Die größte Hürde ist den Forschenden zufolge die geringe Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) einiger Navigationssensoren. Elektromotoren von Maschinen oder Gabelstaplern, stromdurchflossene Leiter, größere Metallansammlungen – all das kann die Navigationsfähigkeit einer Drohne sehr stark einschränken und im schlimmsten Fall zum Absturz führen. In Industrieumgebungen lassen sich solche elektromagnetischen Störungen nicht verhindern. Das macht es so schwierig, mit einer Drohne in einer Industriehalle zu navigieren. Bis zur Marktreife von industrietauglichen, autonom fliegenden und sicheren Indoor-Drohnen ist daher noch weitere Forschung und Entwicklung notwendig.
Projektleiter Andreas Seel erhielt für seine Forschungsarbeit ein „Certificate of Best Paper“ bei der ICCAR CONFERENCE 2022. In der Arbeit mit dem Titel „Deep Reinforcement Learning based UAV for Indoor Navigation and Exploration in Unknown Environments“ beschreibt er das Prinzip der Indoor-Navigation und den Ansatz des Bestärkenden Lernens (Deep Reinforcement Learning), welcher die Drohne dazu befähigt, automatisiert Entscheidungen zu treffen.