Wenn sie ihren Vorgängern gleichen – so eine Studie der TU München, die mit dieser Aussage der gängigen Lehrmeinung widerspricht. Bislang war die Wirtschaftswissenschaft davon ausgegangen, dass Managerinnen und Manager ähnlich handeln, wenn ihr beruflicher und demografischer Hintergrund ähnlich ist. Der Studie der TU München zufolge ändern jedoch Chefs umso eher Kurs und Strategie des Unternehmens, je ähnlicher neu berufene Vorstandsvorsitzende ihren Vorgängerinnen oder Vorgängern sind. Als Grund nennen die Wissenschaftler das Abgrenzungsbedürfnis der neuen Vorsitzenden. Der Effekt sei besonders stark ausgeprägt, wenn die vorherigen Chefs in den Aufsichtsrat gewechselt seien. Wenn diese dagegen aus dem Amt gedrängt worden seien, falle der Kurswechsel weniger stark aus.
Prof. Dr. Thomas Hutzschenreuter vom Lehrstuhl für Strategic and International Management hat für die Studie gemeinsam Kollegen rund 180 Wechsel des Vorstandsvorsitzes von rund 80 deutschen Unternehmen aus DAX, MDAX oder TecDAX im Zeitraum von 1985 bis 2007 analysiert. Um festzustellen, wie ähnlich sich Vorgänger und Nachfolger sind, betrachteten die Wissenschaftler die Funktionen und Branchen ihrer bisherigen Tätigkeiten sowie Nationalität und Alter. Als Indikator für das Ausmaß eines Strategiewechsels untersuchten die Studienautoren, ob die Vorstandschefs innerhalb von zwei Jahren nach Amtsantritt Geschäftseinheiten verkauften, die von ihren Vorgängerinnen und Vorgängern geschaffen worden waren.
Chefs wollen sich mit eigenem Handeln unterscheidbar machen
„Vorstände werden unausweichlich mit denjenigen verglichen, die vorher an der Spitze standen“, sagt Hutzschenreuter. „Da niemand in dieser Position als austauschbar gelten will, entsteht das Bedürfnis, sich mit eigenem Handeln unterscheidbar zu machen. Dieser Drang ist größer, wenn es kaum biografische Merkmale gibt, mit denen man sich abgrenzen kann.“ Wie das Forscherteam weiter mitteilt, wurde der psychologische Effekt, den die Studie zeigt, bislang bei der Erforschung der Führungswechsel nicht beachtet. Die Erkenntnisse könnten jedoch künftig eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Nachfolgeregelung in börsennotierten Unternehmen sein.
Aus Hutzschenreuters Sicht könnten weitere Studien untersuchen, ob die Verhaltensweisen auch in anderen Ländern und in anderen Unternehmensformen auftreten. In Familienunternehmen beispielsweise könne die Motivation besonders groß sein, mit einem neuen Kurs aus den Fußstapfen von Mutter oder Vater zu treten.