In Zukunft könnte die Industrie Treibhausgasemissionen nutzten, statt sie in die Atmosphäre freizusetzen – davon gehen Forschende der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) anhand aktueller Entwicklungen aus. Denn bei dem Projekt haben sie eine neue Technologie entwickelt, um mithilfe von Bakterien und Solarstrom nützliche Chemikalien aus CO2 zu gewinnen (PEM Electrolysis in a Stirred-Tank Bioreactor Enables Autotrophic Growth of Clostridium ragsdalei with CO2 and Electrons).
Dass sich Kohlendioxid mithilfe von Bakterien elektrochemisch aufwerten lässt, ist dem Prinzip nach bekannt. Dafür werden die Verfahren der Elektrolyse und der Fermentation kombiniert: CO2 wird erst zu CO reduziert und dann von Bakterien zu Essigsäure oder auch zu Ethanol oder Butandiol verstoffwechselt – also zu Säuren und Alkohole, die als Ausgangsstoffe für Spezialchemikalien dienen können. Bislang erfolgen Elektrolyse und Fermentation in zwei getrennten Schritten. Denn die Katalysatoren der Elektrolysegeräte, die aus Gold, Silber oder Kupfer bestehen, sind empfindlich gegenüber der Flüssigkeit, die für die Fermentation benötigt wird. Auch vertragen sich wiederum die Metalle aufgrund ihrer antibakteriellen Wirkung nicht gut mit den nützlichen Mikroorganismen. Die Forschende der BAM haben nun Elektrolyse und Fermentation in einem System miteinander kombiniert. Dafür hat das Team neuartige Katalysatoren auf Kohlenstoffbasis entwickelt. Die Materialien sind biokompatibel, beeinträchtigen die Funktion der Bakterien also nicht, und sind zudem deutlich kostengünstiger als bisherige Katalysatoren.
Die Machbarkeit des Konzepts wurde in standardisierten Bioreaktoren erfolgreich demonstriert. Ein optimierter Prozess ließe sich also schnell in die industrielle Anwendung bringen. Da die Reduzierung des Treibhausgases CO2 als entscheidend dafür gilt, die Folgen des Klimawandels zu begrenzen, wächst das Interesse an biokatalytischen Prozessen, die CO2-Emissionen binden und in nützliche Chemikalien umzuwandeln können.
„Unsere Forschungsergebnisse sind ein wichtiger Schritt in Richtung nachhaltige und dezentrale Produktion von CO2-basierten Chemikalien. Sie zeigen das Potenzial der Kombination von biologischen und elektrokatalytischen Prozessen“, so Tim-Patrick Fellinger, Leiter des Fachbereichs für Elektrochemische Energiematerialien der BAM. „Die Technologie ließe sich dezentral und in Kombination mit Ökostrom aus Solaranlagen dort einsetzen, wo bei Produktionsprozessen stetig Kohlendioxid produziert und bisher mangels Alternativen als Klimagas in die Atmosphäre freigesetzt wird.“