Die börsennotierten Unternehmen in Deutschland kommunizieren in ihren Risikoberichten am häufigsten geopolitische Entwicklungen (83 Prozent), Inflation (79 Prozent) und Cyber-Vorfälle (79 Prozent) als Risiken für ihr Geschäft. Die Vorstandsvorsitzenden hingegen thematisieren in ihren Vorworten Geopolitik (34 Prozent), Inflation (23 Prozent) und Energiekrise (21 Prozent) – Risiken im eigenen Einflussbereich wie Cyber-Angriffe bleiben bei ihnen weitgehend außen vor. Das zeigt der Risikomonitor 2023 der Universität Hohenheim und der Kommunikationsberatung Crunchtime Communications. Für die Studie wurden die Vorstandsvorworte und Risikoberichte aus den Geschäftsberichten von 151 der 160 in DAX, MDAX und SDAX gelisteten Unternehmen analysiert.
„Lange Zeit profitierten deutsche Unternehmen von der Globalisierung. Jetzt zeigt sich die Kehrseite der Medaille: Geopolitische Entwicklungen sind das am häufigsten genannte Risiko für das eigene Geschäft. Damit verbunden sind Risiken wie Produktions- und Lieferengpässe“, so Prof. Dr. Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim. „Dass geopolitische Aspekte auch die Risiko-Agenda der Unternehmen prägen, war angesichts der zahlreichen politischen Konflikte zu erwarten – angefangen beim Ukraine-Krieg über den US-Handelsstreit mit China bis hin zum Konflikt zwischen China und Taiwan.“ Bemerkenswert sei der starke Fokus auf externe und politische Risikofaktoren in den Geschäftsberichten dennoch: „Die zwei Top-Risiken Geopolitik und Inflation aus dem Crunchtime Risikomonitor waren noch im Januar im Allianz Risk Barometer, für das unter anderem CEOs und Risikomanager befragt wurden, nicht einmal in den deutschen Top 10 vertreten.“
„Mit dem starken Fokus auf Geopolitik und Inflation vermitteln Unternehmen den Eindruck, dass sie vor allem Risiken fernab des eigenen Einfluss- und Verantwortungsbereichs ausgesetzt sind. Gerade die Vorstände sind sehr zurückhaltend, Risiken im unmittelbaren eigenen Umfeld zu benennen“, so Johannes Fischer, geschäftsführender Gesellschafter von Crunchtime und Lehrbeauftragter an der Universität Hohenheim. Dass nur zwei CEOs der DAX-, MDAX- und SDAX-Unternehmen im Vorstandsbrief auf das allgegenwärtige Cyber-Risiko eingehen, sei zumindest auf den ersten Blick überraschend: „Statistisch gesehen werden jährlich rund 50 Prozent der Unternehmen Opfer von Cyber-Angriffen, die ein erhebliches Risiko für Reputation und Geschäft darstellen.“ Man könne aus der Zurückhaltung im Vorstandsvorwort jedoch nicht unbedingt ableiten, dass das enorme Schadenspotenzial von Cyber-Krisen nicht gesehen werden. Vielmehr würden Vorstände versuchen, sich in der öffentlichen Positionierung nicht zu stark mit Krisenthemen im unmittelbaren Unternehmensumfeld in Verbindung zu bringen.
Auch andere unternehmensnahe Risiken sind vergleichsweise selten Thema, wie der Risikomonitor 2023 zeigt: Wettbewerbsdruck (45 Prozent), verändertes Kundenverhalten (45 Prozent) und Fachkräftemangel (42 Prozent) rangieren auf den Plätzen 9 bis 11. In den Vorstandsvorworten gehen nur 6 Prozent auf verändertes Kundenverhalten und 3 Prozent auf den Fachkräftemangel als Risiken ein, Wettbewerbsdruck ist gar kein Vorstandsthema.
Und: Nur gut jedes zweite Unternehmen (51 Prozent) nennt in seinem Risikobericht den Klimawandel als Risiko. Damit liegt der Klimawandel als Unternehmensrisiko auf Rang 7 und nur knapp vor der Corona-Pandemie beziehungsweise der Sorge vor neuen Pandemien (50 Prozent). Im Vorstandsvorwort spielt der Klimawandel als Unternehmens- beziehungsweise Geschäftsrisiko so gut wie keine Rolle (1 Prozent).