Szenarien für den urbanen Wirtschaftsverkehr hat das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO jetzt in einer Studie zur Logistik der Zukunft entwickelt. Schwerpunkt sind laut IAO Konzepte an der Schnittstelle von Stadt und Logistikwirtschaft. Denn einerseits sei der urbane Wirtschaftsverkehr ein funktionaler Bestandteil von Städten für die Versorgung der Bevölkerung, andererseits erhöhe unter anderem die Diskussion rund um Klimaschutz und Nachhaltigkeit sowie Lärm- und Schadstoffbelastungen den Handlungsdruck auf die öffentlichen Akteure. Das Forschungsteam habe daher insbesondere untersucht, welche Anforderungen und Chancen die Automatisierung sowie elektrisch angetriebene Fahrzeuge für den innerstädtischen Wirtschaftsverkehr mit sich bringen. Kern der Ergebnisse sind folgende sechs Szenarien.
Szenario #1: Die Politik als Innovationsmanager. Die Politik hat den Elektroantrieb zum Standard gemacht, jedoch verhindern rechtliche Beschränkungen das automatisierte Fahren weitestgehend. Der Staat dominiert mit einem umfassenden Gestaltungsanspruch für die städtische Logistik.
Szenario #2: High-Tech-Flottenbetreiber revolutionieren die Stadtlogistik. Im Nah- und Regionalverkehr ist das batterieelektrische Fahren wirtschaftlich attraktiv, auch das hoch automatisierte Fahren ist in vielen Anwendungsfällen möglich und bringt wirtschaftliche Vorteile. Ein liberaler Rechtsrahmen öffnet den Weg zur Durchsetzung der Stadtlogistik mit wirtschaftlich attraktiven Innovationen.
Szenario #3: Die Innovationskraft des Marktes. Elektromobilität ist aufgrund eines funktionierenden Lademanagements und unternehmensübergreifend organisierter Stadtlogistik zum Standard geworden. Mehrere Marktakteure entwickeln gemeinsam eine neue, durch kundennahe Innovationen geprägte Marktordnung für die Stadtlogistik.
Szenario #4: Emissionsarme Stadtlogistik als kommunalpolitische Aufgabe. Das Streben nach Luftreinhaltung hat der Batterie im Nahbereich zum Durchbruch verholfen. Dagegen spielt die Automatisierung in der öffentlichen Wahrnehmung nur eine geringe Rolle. Die Kommunen haben aktive Gestaltungsmöglichkeiten und streben vielfach die autofreie Innenstadt an.
Szenario #5: Nachhaltigkeit als Leitlinie der Stadtlogistik. Die Stadtlogistik ist nur noch elektrisch zulässig und hat sich ganzheitlich so verändert, dass hoch automatisierte Zustellhilfen in der Stadt die Regel sind. Aus einem starken Nachhaltigkeitsbewusstsein heraus hat insbesondere die Bevölkerung einen eigenen Gestaltungsanspruch für die städtische Logistik.
Szenario #6: Die Stadt definiert sich neu. Die Elektromobilität hat sich als Folge von Förderprogrammen und Regulierungsmaßnahmen dort etabliert, wo dies die Reichweite der Fahrzeuge zulässt. Daten regeln die effizientere Organisation des kommunalen Verkehrs und der Verkehrsflächen. Die Weiterentwicklung von Bundes- und Europarecht eröffnet weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten für die Kommunalpolitik.
Das Fraunhofer IAO hat die Konzepte in Kooperation mit der Hochschule Heilbronn anhand der drei Beispielstädte Leipzig, Mannheim und München im Rahmen eines zweistufigen Workshop-Prozesses entwickelt. In den Workshops waren sowohl Vertreter der öffentlichen Hand, Akteure der Logistikwirtschaft, Betroffene aus Handel und Industrie sowie Beteiligte aus der Bürgerschaft einbezogen. Die Workshops erfolgten im Auftrag der Forschungsvereinigung Automobiltechnik (FAT) im Verband der Automobilindustrie (VDA).