Von Peter Bauditz, Ehrenmitglied des VWI-Beirats
Quelle: Hannover Messe
Bisher stehen beim Thema Industrie 4.0 fast ausschließlich technische und soziale Aspekte im Fokus. Parallel wird der Begriff Arbeit 4.0 diskutiert, also die Auswirkungen auf die Beschäftigten. Ein Aspekt kommt jedoch bisher viel zu kurz: die technisch-wirtschaftliche Betrachtung. Industrie 4.0.bringt bei der Strategieentwicklung für das Management von Unternehmen neue Herausforderungen mit sich. Und in diesem Umfeld, der sogenannten Management-Agilität, spielt das Berufsbild des Wirtschaftsingenieurs eine neue bedeutende Rolle. Das Tempo der Umsetzung von Industrie 4.0-Technologien wird sehr davon abhängen, wie sich technische Projektwünsche und betriebswirtschaftliche Kriterien vereinbaren lassen.
Als Koordinator
Bei einem Industrie 4.0-Projekt ist aufgrund technisch machbarer und kostenmäßig tragbarer Vorgaben ein Unterteilen in mehrere Teilabschnitte notwendig. Für alle Teilbereiche bzw. Projektschritte wird eine Kalkulation der Total Cost of Ownership (TOC) vorgenommen, bevor Investitionsentscheidungen fallen. Der Wirtschaftsingenieur kann hier im klassischen Sinn an der Schnittstelle von Technik und Wirtschaft eine koordinierende Funktion ausüben. Sowohl in großen Konzernen als auch in KMU werden Wirtschaftsingenieure einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung von Industrie 4.0-Lösungen leisten können.
Das gilt auch auf den Einsatz von Wirtschaftsingenieuren auf der Lieferanten- oder Kundenseite. Egal, ob neue Systeme, Anlagen oder technische Dienstleistungen das neue Leistungsprofil im Bereich Industrie 4.0 ausmachen: Technisch-wirtschaftliche Anforderungen werden bei alternativen Angeboten den Ausschlag geben. Auch beim Retrofit, also der Adaption von Systemen oder Anlagen mit Hilfe von Reengineering-Dienstleistungen, wird die Unterstützung von Wirtschaftsingenieuren gebraucht.
Als Planer und Controller
Im Bereich Industrie 4.0 ist die Planung von Fertigungsprozessen und neuen Geschäftsmodellen noch komplexer geworden. Denn Industrie 4.0 bedeutet nicht nur die interne Vernetzung von Produkten, Maschinen und Mitarbeitern, sondern auch die externe Vernetzung mit Lieferanten und Kunden. Ein Wirtschaftsingenieur ist aufgrund seiner Simultan-Ausbildung Technik und Wirtschaft hervorragend als Koordinator in diesem Netzwerk geeignet.
In Zukunft wird es bei der Planung und Durchführung von Industrie 4.0-Projekten nicht mehr nur die zwei Partner Lieferant und Kunde geben. Statt dessen werden aufgrund der verschiedenen benötigten Kompetenzen und technischen Komponenten jeweils mehrere Partner ein Projekt bis zur Inbetriebnahme begleiten oder zumindest als Lieferant teilhaben. Der Wirtschaftsingenieur als Controller wird hier unter Rentabilitätsgesichtspunkten auch das wirtschaftlich Machbare im Auge behalten.
Kompetent, teamfähig, lösungsorientiert
In der Ära Digitalisierung/Industrie 4.0 wird eine kompetente, teamorientierte Projektführung aufgrund der Komplexität im System-, Anlagen- und Service-Engineering-Geschäft noch wichtiger. Hauptbedürfnisse der Industrie-Unternehmen sind dann beispielsweise die Installation von Baugruppen, um die Anlagen energiesparender zu machen, um flexibler Varianten sowie kleine Stückzahlen zu fertigen oder um Fertigungskapazitäten über eine weitere Rationalisierung zum Beispiel durch Einsatz von Robotik zu erweitern. Dabei wird der Wirtschaftsingenieur auch zum Planer aller Komponenten und Baugruppen mit Hardware, Software und Dienstleistungen mit den kundenspezifischen Kriterien und deren technisch-wirtschaftlichen Anforderungen.
Die Einsatzfelder für Wirtschaftsingenieure werden aufgrund der absehbaren Trends in der Ära Digitalisierung/Industrie 4.0 also weiter wachsen.