Kompetenzen von Wirtschaftsingenieurinnen und Wirtschaftsingenieuren werden stark nachgefragt. Die Absolventinnen und Absolventen sind Ingenieure mit einem Blick für wirtschaftlichen Erfolg: interdisziplinär ausgebildete und flexibel einsetzbare Generalisten, die in Unternehmen an wichtigen Schnittstellenpositionen integrierende und leitende Funktionen übernehmen. Die geforderten Novellierungen der Ingenieurgesetze der Bundesländer bedrohen jedoch die Berufsbezeichnung „Ingenieur(in)“ für das in der deutschen Hochschullandschaft etablierte und auf dem deutschen wie internationalen Arbeitsmarkt höchst erfolgreiche Konzept Wirtschaftsingenieurwesen. Grund ist nicht der vorgegebene Technikanteil (MINT-Anteil) am Studium von mindestens 50 Prozent. Das Problem ist die Forderung der Bundesingenieurkammern, künftig allein über die Vergabe der Berufsbezeichnung „Ingenieur(in)“ entscheiden zu wollen.
Aufgrund der Bologna-Reform können Hochschulen akademische Grade wie Dipl.-Ing. oder Dipl.-Wi.-Ing. nicht mehr vergeben. Diese wurden europaweit von Bachelor- bzw. Mastertiteln mit den Zusätzen of Arts, of Science oder of Engineering abgelöst. Bisher können die Hochschulen jedoch im Rahmen der dem Zeugnis beiliegenden Begleiturkunde, dem Diploma Supplement, den Absolventinnen und Absolventen entsprechender Fachrichtungen das Recht verleihen, die Berufsbezeichnung Wirtschaftsingenieurin bzw. Wirtschaftsingenieur zu führen. „Die aktuelle Forderung der Bundesingenieurkammern gefährdet diese bewährte Praxis, da die Ingenieurkammern einiger Bundesländer Kontrolle und Genehmigungshoheit für die Führung der Berufsbezeichnung Ingenieur(in) beanspruchen“, kritisiert VWI-Präsident Prof. Dr.-Ing. Wolf-Christian Hildebrand. Die Forderung nach einer hochschulfremden Überprüfung der Absolventinnen und Absolventen sowie ihrer Berechtigung, den Ingenieurtitel zu tragen, ist ein massiver Eingriff in die Hochschulautonomie. Eine solche Regelung würde zudem den deutschen Hochschulen die Kompetenz absprechen, qualitativ hochwertige ingenieurwissenschaftliche Studiengänge zu konzipieren.
„Die Forderung der Bundesingenieurkammern ist inakzeptabel und beschädigt den Ruf der Fachdisziplin Wirtschaftsingenieurwesen“, so VWI-Präsident Hildebrand, der an der Technischen Hochschule Brandenburg einen Lehrstuhl für Logistik und Organisation innehat. Diese Sicht teilen der Fachbereichs- und Fakultätentag Wirtschaftsingenieurwesen (FFBTWI) sowie weitere Ingenieurverbände und Interessengemeinschaften sowie der Verband Deutscher Ingenieure. Die Strukturvorgaben für die Studienanteile hat der VWI in dem in Zusammenarbeit mit dem FFBTWI erarbeiteten Qualifikationsrahmen Wirtschaftsingenieurwesen niedergelegt, sie gelten als Richtlinie für die Akkreditierungsagenturen im Bereich Wirtschaftsingenieurwesen in Deutschland. Mit diesem Qualifikationsrahmen Wirtschaftsingenieurwesen – und der Akkreditierung durch unabhängige Agenturen – wird die Qualität des Wirtschaftsingenieurstudiums ausreichend abgesichert. „Die Verleihung entsprechender akademischer Grade und Berufsbezeichnungen können und müssen allein in der Zuständigkeit der Hochschulen bleiben“, betont Hildebrand.
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