Andreas Renschler Volkswagen

Beitragsbild: Volkswagen AG

VWI Redaktion Keine Kommentare

Andreas Renschler ist Vorstand der Volkswagen AG und CEO von Volkswagen Truck & Bus. Außerdem ist er Vorsitzender des beim Bundesverband der Deutschen Industrie angesiedelten Lateinamerika-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (LADW). Renschler hat in Esslingen am Neckar Wirtschaftsingenieurwesen studiert und anschließend an der Universität Tübingen noch einen weiteren Abschluss als Diplom-Kaufmann gemacht.

Herr Renschler, warum haben Sie Wirtschaftsingenieurwesen studiert?
Mich hat die Verbindung von Technik und Wirtschaft fasziniert. Ich bin mit Traktoren und anderen Nutzfahrzeugen aufgewachsen. Gleichzeitig war das Leben auf dem elterlichen Hof auch stark von finanziellen Fragestellungen geprägt: Wie entwickeln sich die Agrarpreise, Futtermittelkosten, Treibstoffpreise und Zinsen. Da war immer auch kaufmännisches Verständnis gefragt. Vermutlich hat mich das alles so sehr geprägt, dass ich mich nach einer Banklehre für das Wirtschaftsingenieursstudium in Esslingen entschieden habe.

Welche Skills, die Sie im Studium erlernt haben, waren für Ihren Werdegang besonders wichtig?
Da ist eine Fähigkeit hervorzuheben, von der ich heute jeden Tag profitiere: die Fähigkeit, Vorgänge und Dinge im Ganzen zu betrachten. Denn es geht im Leben nicht darum, allein die beste technische Lösung zu finden, sondern auch eine kosteneffiziente Fertigung sicherzustellen und das Produkt erfolgreich zu vermarkten. Das Wirtschaftsingenieursstudium hilft sehr, den Überblick zu bekommen und die interdisziplinären Aspekte zu begreifen. Wir sind ja nicht im Elfenbeinturm zuhause. Lastwagen und Busse müssen robust, zuverlässig und zugleich sparsam sein – sonst haben sie am Markt keine Chance. Zudem müssen wir unseren Kunden Services anbieten, mit denen sie ihr Geschäft optimieren können. Es kommt darauf an, dass der Kunde mit unseren Fahrzeugen und Services Geld verdient.

Was bedeutet für Sie als Wirtschaftsingenieur der Faktor Interdisziplinarität?
Interdisziplinarität zeichnet das Wirtschaftsingenieurstudium aus – und ist heute wichtiger denn je. Trends wie Digitalisierung oder Konnektivität haben einen massiven Einfluss auf uns alle. Vernetzung ist das Stichwort, auch im Denken. Die Zeiten, in denen man in aller Ruhe etwas entwickelt hat, sind vorbei. Praktisch jeder Aspekt der Fahrzeugentwicklung hängt zudem mit Software und Elektronik zusammen, was eine völlig andere Qualität der Kooperation über Bereichsgrenzen hinweg erfordert. Der moderne Lastwagen mag vertraut aussehen, aber seine Fähigkeiten wachsen ständig. Er wird zum vernetzten Akteur des Ökosystems Transport und Logistik. Die damit verbundene Komplexität bei der Entwicklung zu überblicken und zu steuern, verlangt die Fähigkeit interdisziplinär zu denken und zu arbeiten.

Sind aus Ihrer Sicht Absolventen und Professionals mit einem weiten Horizont momentan besonders gefragt?
Das trifft mit Sicherheit zu. Vor dem eben beschriebenen Hintergrund wächst der Bedarf an Mitarbeitern, die einen weiten Horizont mitbringen, fachlich wie kulturell. Es reicht schon lange nicht mehr, allein in einer bestimmten Disziplin zu punkten. Wenn Sie international tätig sind, benötigen sie zum Beispiel interkulturelle Skills, die das fachliche Profil ergänzen.

Was raten Sie Wirtschaftsingenieuren, die in Ihrer Branche Fuß fassen wollen?
Zwei Ratschläge die eigentlich für jede Branche gelten: Erstens, überlegen Sie frühzeitig, welchen Nutzen sie ihrem künftigen Arbeitgeber bieten wollen. Das hilft, sich zu fokussieren und relevantes Wissen zu erwerben. Zweitens, seien Sie offen gegenüber anderen Disziplinen. Niemand hat von vorneherein ein perfektes Profil. Ich habe den Austausch mit Kollegen aus anderen Fachbereichen immer geschätzt und viel dabei gelernt. Verständnis für andere Disziplinen und Kulturen hilft im Berufsleben ungemein. Oft sind es die kleinen Dinge, an denen ein Projekt leidet. Mit der Fähigkeit, sich in den Anderen zu versetzen, findet sich meist eine Lösung. Es geht nicht um den eigenen Standpunkt, sondern um den Erfolg des Projekts. Das muss einen Wirtschaftsingenieur antreiben: Wie bringen wir die beste Lösung für den Kunden erfolgreich auf den Markt? Einen Tipp habe ich noch für Frauen: Sie sollten sich auch in „männerlastigen“ Fächern engagieren. Es gibt nämlich viel zu wenige Frauen in der Nutzfahrzeugindustrie. Die Wirtschaft braucht aber Vielfalt.

Stichwort Digitalisierung: Wo sehen Sie für Ihre Branche sowie für Ihren konkreten Arbeitsbereich die Potenziale, aber auch die Herausforderungen?
Die Nutzfahrzeugindustrie hat hervorragende Perspektiven. Der weltweite Güterverkehr wächst ungebremst, der Bedarf an nachhaltigen Logistiklösungen ist größer denn je. Digitalisierung ist der Schlüssel zur Beherrschung des zunehmenden Transportvolumens. Und sie vernetzt die gesamte Logistik. Das erlaubt z. B. die bessere Auslastung von Lastwagen mit Hilfe digitaler Frachtbörsen. Wir erreichen damit eine deutlich höhere Systemeffizienz. Die Herausforderung ist, diese Chancen in Produkte zu überführen und Lösungen anzubieten, mit denen der Kunde Geld verdient. Dafür brauchen wir gute Wirtschaftsingenieure und -ingenieurinnen.

 

In den Sommerinterviews befragt der VWI in loser Folge Wirtschaftsingenieure und Wirtschaftsingenieurinnen, die wichtige Positionen in Industrie und Lehre innehaben, zu ihrem Blick auf das Berufsbild.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert