Gisela Lanza Forschungsbeirat

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VWI Redaktion Ein Kommentar

Sommerinterview: Gisela Lanza, KIT

Prof. Dr.-Ing. Gisela Lanza ist Inhaberin des Lehrstuhls für Produktionssysteme und Qualitätsmanagement des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und Institutsleiterin am Institut für Produktionstechnik (wbk). Seit 2003 leitet sie den Bereich Produktionssysteme am wbk und ist zudem seit 2009 Direktorin des Global Advanced Manufacturing Institute (GAMI) im chinesischen Suzhou. Sie hat Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Karlsruhe (TH) studiert und dort auch promoviert.

Frau Professorin Lanza, warum haben Sie Wirtschaftsingenieurwesen studiert?
Technik hat mich schon sehr früh begleitet. Bei uns Zuhause spielte sie immer eine Rolle und ich habe ein technisches Gymnasium besucht. Den entscheidenden Anstoß gab dann ein Buch über Berufe vom Arbeitsamt: Da waren auch die Gehaltstabellen für jeden Beruf dabei, und der Wirtschaftsingenieur hat 10.000 DM mehr verdient als der Bauingenieur. Da dachte ich: „Oha, warum verdienen die so viel mehr?“ Und weil ich auch großes Interesse an Wirtschaft und Betriebswirtschaftslehre hatte, ist mir die Entscheidung leicht gefallen.

Was zeichnet Ihrer Ansicht nach Wirtschaftsingenieure/Wirtschaftsingenieurinnen besonders aus?
Sie trauen sich, überall mitzureden – das lernt man sehr schnell. Auch wenn es Spezialisten gibt, die in einzelnen Bereichen tiefergehende Kenntnisse haben, Wirtschaftsingenieure verbinden dafür Themen und Leute und schlagen so Brücken. Das Studium in Karlsruhe ist dazu sehr methodisch fundiert: Die Studierenden lernen Probleme zu zerlegen und quantitativ mit mathematischen Methoden anzugehen. Diese Herangehensweise können sie auf vielfältige Herausforderungen übertragen.

Stichwort Interdisziplinarität: Sind aus Ihrer Sicht Absolventen und Professionals mit einem weiten Horizont momentan besonders gefragt?
Ja natürlich. Die Welt wird immer vernetzter und damit das Einzelsystem komplizierter. Kenntnisse in unterschiedlichen Disziplinen können dabei helfen, die Komplexität zu reduzieren. Der Vorteil, Problem- oder Fragestellungen aus verschiedenen Perspektiven betrachten zu können führt dazu, dass man neue Denkweisen und Ideen entwickeln kann.

Von welcher technischen und/oder gesellschaftlichen Entwicklung erwarten Sie ein die Zukunft besonders prägendes disruptives Potenzial?
Von der Digitalisierung: Sie wirkt in alle Bereiche, ob beruflich oder privat. Hier steht die Gesellschaft vor einer Umwälzung, die mit vielen neuen Techniken und Geräten verbunden ist. Für die Industrie bieten sich viele neue Möglichkeiten, man denke nur an Industrie 4.0. Durch eine digitale Vernetzung kann sich die Produktion stärker selbst organisieren und Unternehmen können kostengünstig kundenindividuelle Wünsche umsetzen.

Wie muss sich aus Ihrer Sicht die Ausbildung wandeln, um den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden?
In Zukunft wird es immer wichtiger sein, mit Informations- und Kommunikationstechnologien umzugehen. Die Ausbildung von Wirtschaftsingenieuren sollte daher vor allem die IT-Kompetenz fördern. Neben den theoretischen Grundlagen muss auch vor allem eine umfassende Systemkompetenz aufgebaut werden. So können Studierende lernen, auch mit komplexen, dynamischen Systemen umzugehen und handlungsorientierte Ansätze zu entwickeln.

 

In den Sommerinterviews befragt der VWI in loser Folge Wirtschaftsingenieure und Wirtschaftsingenieurinnen, die wichtige Positionen in Industrie und Lehre innehaben, zu ihrem Blick auf das Berufsbild.

ethische Standards

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Allein gelassen mit ethischen Standards?

6000 Beschäftigte in acht europäischen Ländern hat das Londoner Institute of Business Ethics (IBE) in Zusammenarbeit mit dem Leadership Excellence Institute Zeppelin (LEIZ) der Zeppelin Universität (ZU) in Friedrichshafen und weiteren internationalen Partnern zum Thema „Ethics at Work 2018“ befragt. Ergebnis: Mitarbeiter fühlen sich oft überfordert, wenn sie sich in ihren Unternehmen mit ethischen Standards auseinandersetzen müssen. Das macht die Umsetzung solcher Standards aus Sicht der Autoren zunehmend zu einer Herausforderung der strategischen Unternehmensführung – und rückt die Rolle von Führungskräften für die ethische Unternehmenskultur sowie entsprechender Programme in den Fokus.

Ethischen Standards ein günstiges Umfeld schaffen

„Die Menschen folgen ihren Vorgesetzten“, sagt IBE-Direktorin Philippa Foster Back. Managern komme daher eine Schlüsselrolle dabei zu, die ethische Kultur eines Unternehmens zu definieren. Organisationen müssten sicherstellen, dass Führungskräfte speziell im Hinblick auf ethische Entscheidungen weitergebildet und unterstützt würden, gerade weil der Druck auf alle Mitarbeiter aktuell zunehme. Diejenigen Unternehmen, die ein solches förderliches Umfeld bereits bieten, weisen laut der Studie bessere Ergebnisse auf, wenn es beispielsweise um die Einschätzung über die vorherrschende Ehrlichkeit geht oder die Bereitschaft, ethisches Fehlverhalten zu melden. Ein wichtiger Aspekt, denn ethisches Fehlverhalten – so ein weiteres Ergebnis der Studie – ist immer noch verbreitet. Zugleich hat aber auch die Bereitschaft und Wahrscheinlichkeit zugenommen, dass Mitarbeiter ein solches Fehlverhalten melden.

LEIZ-Direktor Prof. Dr. Josef Wieland zufolge ist die Studie sehr innovativ. Es handelt sich demnach um die einzige Studie weltweit, die erforscht, wie sich Ethik und Rechtschaffenheit auf der Ebene der Mitarbeiter darstellen. Wieland: „Das Leadership-Thema ist dabei zentral. Die Relation zwischen der Führung und den Geführten wird in den Blick genommen und um eine neue Perspektive ergänzt, indem gefragt wird: Was denken und erleben die Geführten?“ Zudem biete die Studie einen Vergleich der europäischen Länder im Hinblick auf Werte und Unternehmenskultur, auch das habe es in dieser Form noch nicht gegeben.

Personaler prüfen Online-Profile

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Personaler checken Bewerber online

Immer mehr Personaler recherchieren Social-Media-Profile der Bewerber. Das zeigt eine aktuelle repräsentative Umfrage des Digitalverbands Bitkom unter Personalverantwortlichen in Unternehmen ab 50 Mitarbeitern. Im Fokus stehen demnach vor allem beruflich ausgerichtete Plattformen wie Xing oder LinkedIn (53 Prozent). Personaler haben aber auch eher privat ausgerichtete soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter oder Instagram auf dem Schirm (30 Prozent).

Aus Sicht von Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder gehen damit die Zeiten zu Ende, in denen Social-Media-Auftritte eine klassische Bewerbung lediglich ergänzen. Denn 2013 informierten sich erst 23 Prozent der Personaler in sozialen Netzwerken über Bewerber, 2015 waren es bereits 46 Prozent – und jetzt 63 Prozent. „Wer sich in sozialen Netzwerken gut präsentieren kann, hat definitiv Vorteile bei der Jobsuche“, so Rohleder. Die Social-Media-Selbstdarstellung könne aber durchaus auch zur Karrierebremse werden. Immerhin hätten 24 Prozent der Personaler, die sich Profile von Bewerbern in sozialen Netzwerken anschauen, bereits Bewerber wegen einzelner Einträge nicht eingestellt beziehungsweise nicht in die engere Auswahl genommen.

Personaler überprüfen vor allem das berufliche Profil

Grundsätzlich dürfen Arbeitgeber laut Bitkom allgemein zugängliche Daten einholen, sofern dem keine Persönlichkeitsrechte der Betroffenen entgegenstehen. Das gelte etwa für über Suchmaschinen frei verfügbare Inhalte und für Informationen, die in sozialen Netzwerken ohne Anmeldung frei abrufbar sind. Der Bitkom-Umfrage zufolge interessieren sich Personaler bei ihren Online-Recherchen mehr für berufliche Themen als für Privates. 81 Prozent achten demnach besonders auf fachliche Qualifikationen, 67 Prozent auf Äußerungen zu Fachthemen und 53 Prozent auf Äußerungen zum Unternehmen oder Wettbewerbern. Jedoch haben 34 Prozent ein besonderes Augenmerk auf Hobbys oder private Aktivitäten und 16 Prozent auf politische Ansichten.

Marcus Kuhnert Merck AG

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Sommerinterview: Marcus Kuhnert, Merck

Dr. Marcus Kuhnert ist Mitglied der Geschäftsleitung und Chief Financial Officer der Merck AG. Seit September 2017 hat er neben seiner Rolle als Finanzchef auch die Verantwortung für die neugegründeten Merck Business Services. Kuhnert hat Wirtschaftsingenieurwesen an der Technischen Universität Darmstadt studiert und sein Studium mit der Promotion abgeschlossen.

Herr Kuhnert, warum haben Sie Wirtschaftsingenieurwesen studiert?
Mich hat die Kombination von ingenieurwissenschaftlichen und wirtschaftlichen Themen gereizt. Morgens Kostenleistungsrechnung hören und danach in eine Übung zur Technischen Mechanik gehen, fand ich spannend und abwechslungsreich. Außerdem waren damals – und sie sind es auch noch heute – die Aussichten auf einen guten Job nach dem Studium ausgezeichnet.

Welche Skills, die Sie im Studium erlernt haben, waren für Ihren Werdegang besonders wichtig?
Zusätzlich zur sehr guten fachlichen Ausbildung an der TU Darmstadt vor allem Stressresistenz, Durchhaltevermögen und zielgerichtetes, methodisches Arbeiten.

Was bedeutet für Sie als Wirtschaftsingenieur der Faktor Interdisziplinarität?
Als Wirtschaftsingenieur entwickelt man ein Verständnis für zwei Welten gleichermaßen, man lernt die betriebswirtschaftliche und die technische Sichtweise auf die Dinge. Auch im Unternehmen ist es wichtig, Problemstellungen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Nur so ist es möglich, den wissenschaftlichen und ökonomischen Herausforderungen, die sich zudem ständig wandeln, erfolgreich zu begegnen – und ihnen möglichst sogar um einige Schritte voraus zu sein.

Sind aus Ihrer Sicht Absolventen und Professionals mit einem weiten Horizont momentan besonders gefragt?
Definitiv. Wir leben in einer Welt, die sich momentan in einem radikalen Umbruch befindet. Daher suchen wir bei Merck Menschen, die neue Wege gehen und auch mal über den Tellerrand schauen.

Was raten Sie Wirtschaftsingenieuren, die in Ihrer Branche Fuß fassen wollen?
Als Wissenschafts- und Technologieunternehmen suchen wir Mitarbeiter, die vor allem eines mitbringen: Neugier. Sie sollen dafür brennen, Antworten auf die schwierigen Fragen zu suchen und den Status Quo ständig auf den Prüfstand stellen. Das sind Eigenschaften, die auch einen guten Wirtschaftsingenieur auszeichnen.

Stichwort Digitalisierung: Wo sehen Sie für Ihre Branche sowie für Ihren konkreten Arbeitsbereich die Potenziale, aber auch die Herausforderungen?
Das Thema betrifft nicht nur den Finance-Bereich, sondern den gesamten Konzern. Für mich als Finanzvorstand geht es dabei einerseits darum, die Geschäftsbereiche bei deren jeweiligen digitalen Initiativen zu unterstützen. Die Schnittstellen zur Finance-Organisation sind hier zahlreich. Auf der anderen Seite ist es mir wichtig, digitale Wertschöpfungsbeiträge aus der Finanz-Organisation heraus zu definieren. Die Kernkompetenz des Finanzbereichs ist es, Daten in entscheidungsrelevante Informationen zu überführen. Deshalb sind Themen wie Advanced Analytics und Big Data hierbei bevorzugte Anwendungsfälle für uns.

 

In den Sommerinterviews befragt der VWI in loser Folge Wirtschaftsingenieure und Wirtschaftsingenieurinnen, die wichtige Positionen in Industrie und Lehre innehaben, zu ihrem Blick auf das Berufsbild.

Hannes Mirow gewinnt inspired

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inspired: Wirtschaftsingenieur gewinnt Ideenwettbewerb

Im Rahmen des Ideenwettbewerbs inspired wurden jetzt die originellsten Geschäftsideen und wegweisendsten Forschungsergebnisse aus den Universitäten und Hochschulen Greifswald, Schwerin, Wismar, Stralsund, Neubrandenburg und Rostock prämiert.

Den ersten Platz in der Kategorie Forschende & Absolventen hat der Wirtschaftsingenieur Hannes Mirow aus Stralsund belegt. Er überzeugte die Jury mit seinem selbst entwickelten Schienbeinschoner Carboskin, der rutschfrei und superleicht ist. Das Geheimnis des neuen Produkts liegt Hannes Mirow zufolge in der revolutionären individuellen Passform. Zielgruppe sind demnach tausende von Freizeitkickern, die sich keine handgemachten Profi-Schoner leisten können oder wollen – Carboskin soll da eine ebenso bezahlbare wie funktionelle Alternative darstellen.

inspired zur Gründung

Ziel des vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern geförderten Wettbewerbs inspired ist es, innovative Technologien und Ideen an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu identifizieren und nicht nur mit finanziellen Mitteln zu unterstützen, sondern auch mit wertvollen Kontakten, intensivem Coaching und wichtigen Erfahrungswerten. So sollen potenzielle Gründerinnen und Gründer motiviert und frühzeitig bei ihrem Vorhaben unterstützt werden.“

Moveco Kreislaufwirtschaft

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Interreg-Projekt soll Kreislaufwirtschaft fördern

Moveco heißt das Interreg-Projekt, das jetzt Unternehmen und Forschungseinrichtungen dabei unterstützen will, Produkte und Rohstoffe zur Wiederverwendung auszutauschen, sich im Bereich Kreislaufwirtschaft zu vernetzen sowie Kooperationen zu schließen. Dafür hat Moveco im Rahmen einer neuen Onlineplattform den nötigen virtuellen Marktplatz geschaffen. Der Bayerischen Forschungsallianz zufolge richtet sich die Plattform primär an die Länder des Donauraums – Deutschland, Österreich, Bulgarien, Kroatien, Republik Moldau, Rumänien, Serbien, Slowakei, Slowenien und Ungarn – aber steht auch anderen Ländern offen.

Vier Module für bessere Kreislaufwirtschaft

Wie die Projektpartner mitteilen, stehen die insgesamt vier Module auf der neuen Plattform ganz unter dem Motto „Let‘s make the world a more circular place!“. Das erste Modul ist der Marktplatz zur Wiederverwendung von Produkten und Sekundärrohstoffen. Dahinter steckt die Idee, Stoffkreisläufe in der Donauregion zu schließen. Das zweite Modul stellt Möglichkeiten zur Zusammenarbeit vor und richtet sich vor allem an Forschungseinrichtungen auf dem Gebiet der Kreislaufwirtschaft. Hier können sich interessierte Akteure zu Themen austauschen, neue Partner für Projekte in diesem Bereich gewinnen, ihre Expertise einbringen beziehungsweise nach Lösungen für ihre Fragestellung suchen. Das dritte Modul enthält die sogenannte Circular-Economy-Toolbox, die Unternehmen und Organisationen als virtueller Werkzeugkoffer zum Thema Kreislaufwirtschaft dienen soll. Die vollständige Veröffentlichung dieser Toolbox ist den Projektpartnern zufolge für August 2018 geplant; zum Angebot sollen unter anderem Schulungs-, Trainings- und Analysematerialien, Informationen zu Finanzierungsinstrumenten und Förderprogrammen sowie Kooperationsmöglichkeiten gehören. Im vierten Modul will Moveco umfassende Informationen zu den verschiedenen Modellen für die erweiterte Herstellerverantwortung im Donauraum bereitstellen.

Alle Module der Onlineplattform sind mit einer automatischen Übersetzungsfunktion ausgestattet und sollen vom Moveco-Konsortium kontinuierlich ausgebaut werden. Verfügbare Sprachen sind zurzeit neben Englisch auch Bosnisch, Bulgarisch, Deutsch, Französisch, Griechisch, Italienisch, Kroatisch, Rumänisch, Serbisch, Slowakisch, Slowenisch, Tschechisch, Ungarisch und Ukrainisch.

Günther Schuh, RWTH Aachen

Beitragsbild: RWTH Aachen

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Sommerinterview: Günther Schuh, RWTH Aachen

Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. Günther Schuh ist seit 2002 Inhaber des Lehrstuhls für Produktionssystematik an der RWTH Aachen. Weiterhin ist er Direktor des FIR – Forschungsinstitut für Rationalisierung e. V. sowie Mitglied des Direktoriums des Werkzeugmaschinenlabors (WZL) der RWTH Aachen und des Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT). Er ist Mitbegründer des Elektro-Fahrzeugherstellers Streetscooter und Geschäftsführer des Elektro-Fahrzeugherstellers e.GO Mobile. Eine weitere Hochschulaufgabe liegt in der Geschäftsführung der RWTH Aachen Campus GmbH. Schuh hat an der RWTH Aachen Wirtschaftsingenieurwesen studiert und dort auch promoviert; seine Habilitation erlangte er an der Schweizer Universität St. Gallen.

Herr Professor Schuh, warum haben Sie Wirtschaftsingenieurwesen studiert?
Der deutsche Ingenieur/Wirtschaftsingenieur ist und war ein Markenzeichen, das weltweit bekannt und anerkannt ist. Das Studium des Wirtschaftsingenieurwesens bot für mich damals die ideale Möglichkeit mein technisches und zugleich wirtschaftliches Interesse auf akademischer Ebene zu vereinen. Aus der Retrospektive war das genau die richtige Entscheidung, von der ich noch heute profitiere.

Was zeichnet Ihrer Ansicht nach Wirtschaftsingenieure/Wirtschaftsingenieurinnen besonders aus?
Wirtschaftsingenieure verfügen in der Regel über eine Vielzahl von Fähigkeiten, die im späteren Berufsleben helfen und in der Industrie gefragt sind. Dazu gehören beispielsweise strukturiertes und analytisches Denken sowie das schnelle Erfassen von komplexen Sachverhalten. Eine besondere Gabe, die jeder studierte Wirtschaftsingenieur mit sich bringt, ist das schnelle „umswitchen“ zwischen der tiefgreifenden Betrachtung von technischen Details und der Betrachtung übergeordneter wirtschaftlicher Fragestellungen. Ein Wirtschaftsingenieur ist daher in der Lage, Probleme aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten und in kürzester Zeit kreative Lösungen zu erarbeiten.

Stichwort Interdisziplinarität: Sind aus Ihrer Sicht Absolventen und Professionals mit einem weiten Horizont momentan besonders gefragt?
Unterschiedliche Disziplinen verschmelzen miteinander. Ein Ingenieur musste früher technisches Verständnis von beispielsweise der Konstruktionslehre haben. Heute muss er das immer noch, aber zusätzlich auch Grundkenntnisse im Bereich der Betriebswirtschaft haben. Die Halbwertszeit von Wissen ist heute kürzer denn je. Wissen kann heute gegoogelt werden und ist überall und zu jederzeit verfügbar. Daher ist es besonders heute wichtig, einen breiten Horizont zu haben, um zu wissen, wo und nach welchen Informationen man suchen muss.

Von welcher technischen und/oder gesellschaftlichen Entwicklung erwarten Sie ein die Zukunft besonders prägendes disruptives Potenzial?
Das größte technisch disruptive Potenzial geht von der Analyse von großen Datenmengen aus. Die Fähigkeiten der automatisierten Datenauswertung und Dateninterpretation stellen die wesentlichen Potenziale der Zukunft dar. Rechen-, Speicher-, und Kommunikationsressourcen sind leistungsfähig, günstig und klein, wodurch physische Produkte und Prozesse „smartifiziert“ werden können. Beispielsweise werden Logistik- und Produktionsprozesse künftig einen signifikanten Effizienzsprung erfahren. Durch den Einsatz Cyber-Physischer-Systeme, die sich selbstständig optimieren, werden die Leistung gesteigert und Kosten gesenkt. In diesem Zusammenhang kann man durchaus von der vierten industriellen Revolution sprechen, da jede industrielle Revolution die Leistung sprunghaft auf ein signifikant höheres Niveau befördert hat. Dieser Sprung ist notwendig, da die Produktkomplexität und Variantenvielfalt immer weiter zunimmt. Besonders wir Deutschen müssen die aktuellen Entwicklungen nutzen und eine Vorreiterrolle einnehmen. Nur so können wir den technischen und technologischen Vorsprung wieder ausbauen, der in der Vergangenheit immer geringer wurde.

Wie muss sich aus Ihrer Sicht die Ausbildung wandeln, um den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden?
Deutschland verfügt mit dem dualen Ausbildungssystem über einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Nationen. Diesen Vorteil müssen wir bewahren und stärken. Zusätzlich muss die Ausbildung breiter werden und interdisziplinär erfolgen. Die Ausbildung, insbesondere die universitäre Ausbildung, muss praxisnah gestaltet werden. Akademische Ausbildung und Forschung ist wichtig, häufig wird jedoch an der Realität „vorbeigeforscht“. Es ist daher zwingend notwendig, dass sich sowohl Forschung als auch Ausbildung an den Bedürfnissen der Industrie orientieren. Angewandte Forschung und Ausbildung ist kein neues Thema. Auch Forschungsprojekte, die in interdisziplinären Teams von wissenschaftlichen Mitarbeitern und Mitarbeitern aus der Industrie gemeinschaftlich bearbeitet werden, existieren seit vielen Jahren. Heute reicht das nicht mehr aus. Die Intensität der Zusammenarbeit muss wesentlich gesteigert werden. Um die Zusammenarbeit zu fördern, müssen reale Räume geschaffen werden, in denen Hochschule und Industrie auf natürliche Weise aufeinandertreffen. Wir verfolgen dieses Konzept schon seit einigen Jahren mit dem kontinuierlichen Ausbau des RWTH Aachen Campus. Durch größtenteils privatwirtschaftlich finanzierte Gebäude sind wir in der Lage, der Hochschule und der Industrie Flächen innerhalb kurzer Zeit zur Verfügung zu stellen, auf denen ausgebildet, geforscht und gearbeitet wird. Die räumliche Nähe und die Interdisziplinarität sind dabei das Erfolgsrezept des RWTH Aachen Campus.

 

In den Sommerinterviews befragt der VWI in loser Folge Wirtschaftsingenieure und Wirtschaftsingenieurinnen, die wichtige Positionen in Industrie und Lehre innehaben, zu ihrem Blick auf das Berufsbild.

vertikale Mobilität

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Porsche Consulting analysiert vertikale Mobilität

Lässt sich der Luftraum über Großstädten sinnvoll für Kurzstreckenverbindungen nutzen? Mit dieser Frage hat sich die Management-Beratung Porsche Consulting in ihrer jüngsten Studie zur Machbarkeit vertikaler Mobilität am Beispiel der Stadt München beschäftigt. Demnach eignen sich sogenannte Lufttaxis in der Pilotphase vor allem für schnelle Verbindungen zwischen Flughäfen und Innenstädten – in München beispielsweise würde die schnellste Verbindung nur zehn Minuten dauern.

Notwendig für diese vertikale Mobilität sind Kleinflugzeuge mit Elektroantrieb und bis zu vier Sitzen, die senkrecht starten und landen und deshalb Hochhausdächer und sehr kleine Plätze anfliegen können. Porsche Consulting hat in der Studie „The Future of Vertical Mobility“ ein Szenario entwickelt, wie bereits vom Jahr 2025 an Lufttaxis auf Kurzstrecken in den größten Metropolen der Welt eingesetzt werden können, welche Infrastruktur diese Flugzeuge brauchen und was ihr Einsatz kostet.

Vertikale Mobilität mit langer Geschichte

Porsche Consulting erinnert daran, dass im Jahr 1901 der erste Hubschrauber in Berlin abhob und damit die vertikale Mobilität mit ihrem charakteristischen senkrechten Starten und Landen begann. Mehr als ein Jahrhundert später können Drehflügler aus Sicht der Studienautoren eine ganz neue Bedeutung bekommen: indem sie als flexible, kleine Flugzeuge zu einem wichtigen Bindeglied in der Vernetzung zukunftsgerechter Verkehrsmittel werden, als Lufttaxi, als Material- und Warentransporter oder für Inspektionsaufgaben. Umweltfreundliche Elektroantriebe, leistungsstarke Batterien mit extrem kurzen Ladezeiten, minimaler Platzbedarf für Start- und Landeplätze, schnelle Computer und Big Data schaffen demnach die Voraussetzungen für ihren revolutionären Einsatz.

Krisenmanagement

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Unternehmen profitieren von Krisenmanagement

Dass effektives Krisenmanagement über das bloße Reagieren auf Krisen und den Schutz bestehender Werte hinausgeht, zeigt die Deloitte-Studie „Stronger, fitter, better: Crisis Management for the resilient Enterprise“ (Download). Demnach steigert ein effektives Krisenmanagement die gesamte Resilienz des Unternehmens und kann so dazu beitragen, dass Investoren und Anteilseigner ihre Einschätzung des Unternehmenswerts nach oben korrigieren.

Für die Deloitte-Studie wurden weltweit 500 Entscheidungsträger aus den Bereichen Risiko- und Krisenmanagement sowie Business Continuity befragt. Rund 60 prozent der Befragten verzeichnen eine deutliche Zunahme von Krisen, die für die Wirtschaft im Allgemeinen und ihr Unternehmen im Besonderen ernsthafte Folgen haben können. Das Spektrum der potenziellen Bedrohungen ist breit gefächert, alle jedoch können für die Unternehmen sowohl finanzielle Folgen haben als auch negative Auswirkungen auf die Reputation, das Markenimage oder das Mitarbeiterengagement.

Zentrale Erkenntnisse zum Thema Krisenmanagement

Die Zuversicht ist größer als die Praxiserfahrung erlaubt: 90 Prozent der Befragten sehen sich gut aufgestellt und geben an, ein hohes Vertrauen in die eigenen Abwehrkräfte und das Krisenmanagement zu haben. Allerdings haben lediglich 17 Prozent ihre Fähigkeiten schon einmal im Rahmen einer entsprechenden Simulation praktisch überprüft.

Das Lernen beginnt meist erst im Ernstfall: Bei der großen Mehrheit der Befragten resultieren das Wissen und die Fertigkeiten im Umgang mit Krisensituationen aus vergangenen Vorfällen. Ein wirksames Krisenmanagement sollte jedoch bereits lange vor einem Vorfall beginnen und idealerweise das Durchspielen entsprechender Szenarien beinhalten, um Krisen möglichst verhindern oder ihre Auswirkungen minimieren zu können. Wer über die akute Phase hinaus den gesamten „Lebenszyklus“ einer Krise beachtet, kann erste Anzeichen bereits im Vorfeld identifizieren.

Die Unternehmensführung muss einbezogen werden: Auch wenn die Geschäftsleitung oft nur wenig Zeit für Prävention und Praxisübungen hat, muss sie in das Krisenmanagement eingebunden werden, da in einer konkreten Krisensituation vor allem auch die Führungskultur zählt. Die Aufgaben in einer Krise müssen entsprechend verteilt werden und Entscheidungsträger schnell verfügbar sein. Ein knappes Viertel der Befragten wertet daher schnelle und angemessene Entscheidungen als einen wesentlichen Erfolgsfaktor für das Krisenmanagement, 84 Prozent haben einen entsprechenden Krisenmanagementplan vorbereitet.

Drittparteien sind Teil des Risikos und Teil der Lösung: Partner, Zulieferer oder auch Berater können das Sicherheitsrisiko erhöhen, andererseits aber auch wichtiger Bestandteil einer Abwehrstrategie sein. 59 Prozent der Befragten bezieht die jeweiligen Drittparteien in das eigene Krisenmanagement ein, entweder durch gemeinsame Initiativen oder durch gegenseitige Audits. Nicht zuletzt können aus Sicht der Studienteilnehmer auch die Kompetenzen externer Krisenspezialisten im Bedarfsfall sehr hilfreich sein.

Palettentauschprozess

Beitragsbild: EPAL

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Blockchain im Palettentauschprozess

In einem Pilotprojekt testen jetzt 20 Unternehmen den Nutzen von Blockchain im Palettentauschprozess. Bis Ende des Jahres wollen sie herausfinden, ob und wie sich der Tausch von Europaletten mittels Blockchain-Technologie digital, transparent und effizient verwalten lässt. „Die logistischen Prozesse sind heute noch stark von manueller Dokumentation und Intransparenz geprägt und besitzen damit großes Optimierungspotential“, sagt Projektleiterin Regina Haas-Hamannt von GS1 Germany. In einem eigens eingerichteten Projekt-Blog sollen die Projektpartner laufend von ihren Erfahrungen berichten.

Mehr Effizienz und Transparenz

Wie GS1 Germany mitteilt, steht der Palettenschein im Zentrum der Initiative. Dieser gehöre in Papierform zum Tagesgeschäft jedes Lkw-Fahrers und sorge in der Logistik oftmals für Ineffizienz und Intransparenz. Der Palettenschein dokumentiert Anzahl, Art und Güte der Ladungsträger. Warenempfänger setzen ihn ein, wenn der Palettentausch nicht direkt erfolgt; der Besitzer kann ihn später beim Aussteller oder bei einem beauftragten Dienstleister wieder einlösen. „Oftmals wissen die Betreiber gar nicht, welche Akteure in der Lieferkette am Tauschprozess beteiligt sind. Außerdem gibt es keinen Intermediär, der den Prozess überwacht“, erläutert Haas-Hamannt. Das mache das Prozedere extrem unübersichtlich. Wenn sich der Palettentauschprozess mittels Blockchain effizienter und transparenter verwalten ließe, wäre das ein Quantensprung für alle Beteiligten.

Palettentauschprozess in der Praxis

In einer Vorphase haben die Logistik-Experten aus den unterschiedlichen Unternehmen einen einheitlichen Prozessablauf, notwendige Rollen und grundlegende Prozessanforderungen für die spätere Programmierung der Blockchain definiert. Danach haben IT-Spezialisten der beteiligten Betriebe das Governance-Modell und die Systemarchitektur der Blockchain festgelegt, darauf folgte die Entwicklung der Simulationsumgebung für einen ersten Testlauf mit einem Prototyp. Der eigentliche Blockchain-Test erfolgt jetzt in Phase vier, wenn Hersteller, Logistik-Dienstleister und Händler innerhalb einer echten Lieferkette den Palettentauschprozess mithilfe von Blockchain-Technologie durchführen. Dieser Test soll dann zusammen mit der Auswertung die Basis für den fünften und letzten Teil des Projekts bilden: die Ableitung von Handlungsempfehlungen für die Praxis, die zum Jahresende veröffentlicht werden sollen, um die Erkenntnisse möglichst umfassend zu teilen.

Handelsseitig beteiligen sich an der Initiative dm-drogerie markt, Kaufland, Lekkerland und Markant. Auf Herstellerseite sind Beiersdorf, Dole Europe, Dr. Oetker, Gärtnerei Ulenburg, Ringoplast und die Wernsing Food Family aktiv. Aus der Logistik-Branche übernehmen Container Centralen, Deutsche Bahn, die European Pallet Association e.V. (EPAL), Paki Logistics und die Nagel-Group zentrale Rollen. Weitere Partner sind das European EPC Competence Center (EECC), das Fraunhofer FIT, T-Systems, PwC und SAP.